Am 3. Oktober feierten wir die deutsch-deutsche „Silberhochzeit“. Mit geschichtsträchtigen Worten des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl endete 45 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Trennung der beiden deutschen Staaten mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Die Deutschen lebten wieder in einem souveränen, freien und geeinten Land. Die Geschichte hatte es vor 25 Jahren gut mit uns gemeint.

Doch begeben wir uns heute noch einmal auf Zeitreise und schauen auf die Straßen der damaligen Deutschen Demokratischen Republik und Bundesrepublik Deutschland, als der Ostblock ins Wanken geriet.

Motorradwelt hüben und drüben

Während im Westen die mobile Freiheit mit dem Siegeszug der vier japanischen Motorradhersteller ungebrochen war und seit Ende der 1970er Jahre umweltfreundlichere Viertakter Einzug hielten, qualmte die Republik jenseits des Eisernen Vorhangs weiter munter vor sich hin.

MZ und Simson waren die dominierenden heimischen Zweitakt-Fabrikate aus Thüringen und dem Erzgebirge. Einige wenige Alt-Relikte wie EMW oder die beliebte, wie seltene, AWO 425 S mischten sich neben ein paar Jawas mit unter das Volk.

In der Mangelwirtschaft der DDR war von staatlicher Seite Monotonie verordnet. Modellvielfalt? Fehlanzeige! In hellblau, rot oder waldgrün knatterten die Büchsen des VEB Motorradwerk Zschopau (MZ) über die schlaglochgesäumten Straßen. Das Simson-Werk in Suhl lackierte seine Schnapsglas-Mopeds immerhin auch noch weiß, saharabraun und kirschrot.

Suzuki GSX-R 750

Objekt der Begierde aus den späten 80ern : Suzuki GSX-R 750 (Quelle: B. Meinköhn)

Neidvoll schaute die Jugend des Ostens auf die plastikverkleideten und hubraumstrotzenden Boliden der Bundesrepublik. Wer träumte damals nicht von einer Suzuki GSX-R, Honda CBR 600 F, VT 1100C oder Africa Twin? Selbst eine bescheidene Suzuki GN 250 oder die Yamaha SR 500 hätten das Herz vieler höher schlagen lassen. Modern ausgestattet mit Zentralfederbeinen, Vierventil-Technik und V-Motoren, schick als Chopper, Tourenmaschine oder bunte Enduro konnten Honda, Kawasaki, Yamaha und Suzuki nur müde über den optisch und technisch weitestgehend stehengebliebenen Einheitsbrei aus der DDR lächeln. Wirklich?

Von „Neckermann-MZ“ und „Schwalben“

Nicht ganz. Immerhin holte das Frankfurter Versandhaus Neckermann die MZ TS 250 in ihre Kataloge und Showräume. Solide und billig waren die Maschinen. Und so behauptete sich die „Honecker-Harley“ mit Spotpreisen unter 1.000 DM gegen Honda, Kawasaki, Suzuki und Yamaha. Immerhin rund 2,5 Millionen MZ verlassen zwischen 1950 und 1990 das Motorradwerk in Zschopau, davon gingen rund 30 Prozent in den Export.

MZ ES Gespann (Quelle: Nippon-Classic.de)

Restauriertes MZ ES Gespann (Quelle: Nippon-Classic.de)

So monoton das Angebot an Feuerstühlen in der damaligen DDR auch war, so langlebig und nahezu unverwüstlich präsentierten sich die Zweiräder „Made in GDR“. Viele MZ und Simson sind noch heute auf unseren Straßen unterwegs, denn die Technik war simpel und lässt sich leicht warten und reparieren.

Mit 50 ccm Hubraum, 3 oder 4 Gängen und 3,7 PS Leistungen rollten von 1979 bis 1986 rund 85.000 „Simson KR 51“ – wie die „Schwalbe“ offiziell hieß – vom Band. Es gab die „Schwalbe“ sogar mit einem Halbautomatik-Motor, von der zwischen 1968 und 1980 ca. 45.000 Stück verkauft wurden. 1974 kam die „K“ Komfort-Version mit hydraulisch gedämpften Federbeinen, einer längeren Sitzbank und einer 15 Watt Funzel auf den Markt. Mit insgesamt 1.085.300 gebauten Exemplaren war die Simson Schwalbe der Bestseller in Suhl.

Wer mehr über die Simson „Schwalbe“, „Sperber“ und „S51“ erfahren möchte, kann sich im Technikmusuem Sinsheim in einer umfangreichen Themenausstellung umschauen.

Heute ist die „Schwalbe“ Kult

Mit der „Wende“ ging auch Ära der Moped- und Motorradproduktion in den neuen Bundesländern langsam zu Ende. So wie Kreidler, NSU, Sachs und Zündapp gingen auch die beiden ostdeutschen Hersteller MZ und Simson unter und damit ein Stück Markenvielfalt im Segment von 50 bis 250 ccm Hubraum. Verschiedene Modell-Offerten nach 1990 konnten die Aversion der Ostdeutschen gegen die einst tristen und technisch veralteten Maschinen nicht aufbrechen. Es dauerte noch einige Jahre, bis die bewährten „50er“ aus Kellern, Garagen oder Scheunen herausgeholt und wieder flott gemacht wurden.

Heute sind „Schwalben“ nicht nur auf dem Fußballplatz ein Begriff, sondern zu mobilen Klassikern aus Suhl aufgestiegen. Die „Schwalbe“ ist Kult pur und benebelt heute mit ihrem blauen Dunst auch die Straßen der VFB- und Herta-Fans in Ost wie West.

Eure Geschichte?

Welche Maschine hast Du in den späten 80’er Jahren gefahren? Und wie hast Du die Zeit der breiten Schulterpolster erlebt – egal, ob in West oder Ost? Erzähl auf nippon-classic.de Deine Geschichte – als Kommentar oder per E-Mail! Du hast noch Fotos aus jenen Tagen, perfekt. Lass uns an Deiner Zeitreise teilhaben.